Ökolinguistik
Was das Verhältnis zwischen Pragmatik und Ökolinguistik betrifft, räumt Fill ein, dass die Ökolinguistik auch als Teil der Pragmatik gesehen werden könnte, da in ihrem Rahmen Themen wie
„Sprache und Konflikt“, „miscommunication“ oder „Macht durch Sprache“ behandelt werden (ebd., S. 7). [2] Es betont jedoch, dass die traditionelle Pragmatik „den Gebrauch und die Wirkung von Sprache im Hier und Jetzt“ betrachtet und „Sprache als zweckorientiertes Kommunikationsmitel“ sieht, „mit dem Wissen ausgetauscht, auf andere Menschen eingewirkt oder die Welt für den einzelnen nach Kategorien geordnet werden kann“. [2]
In der Ökolinguistik hingegen werden vor allem übergeordnete Wirkungen und Funktionen der Sprache (und ihre Entwicklung in der Phylogenese) untersucht, die nicht durch den Austausch von „Sprechakten“ erklärt werden können. Bandstiftendes Sprechen wird als ebenso bedeutsam aufgefaßt wie zweckorientiertes, Scherzen und Plaudern haben denselben (wenn nicht größeren) Stellenwert wie (als) Fragen und Antworten.
Neben der Besprechung des Verhältnisses zwischen der Ökolinguistik und einigen anderen linguistischen Bereichen gibt Fill in der Einführung zu seinem Buch auch einen knappen Überblick über die möglichen Forschungsfelder der Ökolinguistik. Es handelt sich um folgende Teilgebiete der
Ökolinguistik:
• Ökologie der Sprachen
• Etholinguistik
• Sprache und Konflikt
• Sprache zwischen Gruppen
• Sprache, Mensch, Tier und Pflanze
Jedem dieser Teilgebiete ist auch ein Kapitel gewidmet. [2]
Die Ökolinguistik oder ökologische Linguistik entwickelte sich in den neunziger Jahren zu einem neuen Paradigma der linguistischen Forschung und erweiterte die Soziolinguistik, um nicht nur den sozialen Kontext zu berücksichtigen, in den die Sprache eingebettet ist, sondern auch den ökologischen Kontext. Die Ökolinguistik betrachtet Sprache unter dem Gesichtspunkt der Interaktion: Ebenso wie in der Ökologie die Interaktion zwischen Organismen und zwischen Organismen und der Umwelt untersucht wird, untersucht die Ökolinguistik die Interaktion zwischen Sprachen und zwischen Sprachen und ihrer Umwelt und der Gesellschaft, in der sie verwendet werden.
Ein Pionier der Ecolinguistik (Sprachökologie) war der amerikanische Sprachwissenschaftler Einar Haugen, der 1972 den Aspekt der Interaktion in der Soziolinguistik und Psycholinguistik einführte.
Ein weiterer Pionier ist der in Australien lebende Engländer Michael Halliday, der 1990 bei einem Vortrag in Thessaloniki erstmals das Thema Sprache und Umwelt in die Diskussion einführte. Seine Frage war: Inwieweit sind sprachliche Strukturen und Besonderheiten von Texten mit den Umweltproblemen verbunden? Kann Sprache dazu beitragen, Umweltprobleme zu lindern, indem beispielsweise das Bewusstsein für verschiedene anthropozentrische Begriffe geschärft wird?
Wirtschaftliche Überlegungen fließen heute zunehmend in die Ökolinguistik ein. Fragen, die gestellt werden, sind u. a.: Was kostet sprachliche Vielfalt – und was bringt es einem Staat? Wie viele Arbeitsplätze schafft sie? Was kann bewusster Sprachgebrauch zur Lösung von Konflikten beitragen? Wie kann die Sprachenvielfalt der Welt erhalten werden – und besteht ein Zusammenhang zwischen Sprachenvielfalt und Frieden?
Der Begriff “Ecolinguistik” wurde auch mit einem metaphorischen Sinn für “Ökologie” verwendet, beispielsweise in den Begriffen “Sprachökologie”, “Kommunikationsökologie” und “Lernökologie”, wobei die Berücksichtigung anderer Arten oder der physischen Umwelt nicht berücksichtigt wurde. Dies wird immer seltener, da die Ökologie zunehmend als eine Form der ökologischen Geistes- und Sozialwissenschaften verstanden wird.
Es gibt zwei Hauptinteressenbereiche für die Ecolinguistik. Der erste kann als “Die ökologische Analyse der Sprache” und der zweite als “Sprachenvielfalt” bezeichnet werden.
Die ökologische Analyse von Sprache stützt sich auf eine breite Palette von sprachlichen Instrumenten, einschließlich kritischer Diskursanalyse, Rahmungstheorie, kognitiver Linguistik, Identitätstheorie, rhetorischer und systemischer funktionaler Grammatik, um zugrunde liegende Weltanschauungen oder die „Geschichten, nach denen wir leben“ aufzudecken.
Die Sprachenvielfalt ist aufgrund des Zusammenhangs zwischen der Vielfalt der Landessprachen und der Artenvielfalt Teil der Ecolinguistik. Diese Beziehung entsteht aufgrund der ökologischen Weisheit (oder kulturellen Anpassung an die Umwelt), die in lokalen Sprachen kodiert ist. Die Kräfte der Globalisierung und des linguistischen Imperialismus ermöglichen die Verbreitung dominanter Sprachen (wie Englisch) und ersetzen diese lokalen Sprachen (Brennnessel und Romaine 2000). Dies führt zum Verlust sowohl nachhaltiger lokaler Kulturen als auch des wichtigen ökologischen Wissens, das in ihren Sprachen enthalten ist. Eines der Ziele der ökologischen Forschung ist es, sowohl die kulturelle Vielfalt als auch die sie unterstützende sprachliche Vielfalt zu schützen (Terralingua 2016, Nettle and Romaine 2000, Harmond 1996, Mühlhaüsler 1995). [3]
Rolle beim Zusammenleben
Weiterer Kernbereich der ökologischen Linguistik sei die Untersuchung der Rolle der Sprache beim Zusammenleben von Mensch, Tier und Pflanze: "Es gilt, die Anthropozentrik der meisten Sprachen bloßzulegen, das heißt, die Benennung und Kategorisierung der Natur nach der Brauchbarkeit für den Menschen", so Fill. Dabei versuche man die Menschbezogenheit bewusst zu machen ohne, dass die Sprachkritik gleich als "Zensur" der Redeweise empfunden wird: "Sprache soll nicht eingeschränkt, sondern ausgeleuchtet und erweitert werden". [4]
Sprachmanifestationen
Der Mensch habe sich Sprachen geschaffen, in denen Wörter, die Wachstum umschreiben automatisch positive Bedeutung haben, so Fill. "Steigerung", "Vorteil", "Größe" würden kaum jemals in negativem Sinn verwendet. Viele Wörter würden zudem die Umwelt nach der Brauchbarkeit oder Unbrauchbarkeit für den Menschen klassifizieren: Tiere sind entweder "Schädlinge" oder "Nützlinge", Pflanzen werden in "Kraut" und "Un-Kraut" eingeteilt. Im Bereich der belebten Natur werde in "Werk-Stoffe" und "Schad-Stoffe" getrennt, aus Wäldern wird "Nutzholz". Holt sich andererseits die Natur ein Stückchen ihrer selbst zurück, spricht man von "Verödung", "Versteppung" und "Versumpfung". [4]
Die Ökolinguistik sieht es als ihre Aufgabe, derartige Sprachmanifestationen bewusst zu machen. Es gelte zu hinterfragen und zu verstehen, dass etwa Wachstum in der Wirtschaft nicht gleich Wachstum in der Natur ist, sondern ganz im Gegenteil zu sterbenden Wäldern und ausgerotteten Tieren und Pflanzen führen kann - was dann auch den Menschen schadet, so Fill. (APA) [4]
⠀ Deklination des Substantivs Phonetik mit Plural und Artikel. – Ressource: https://www.verbformen.de/deklination/substantive/?w=Linguistik
⠀ Plansprachen – ideengeschichtliche Aspekte. Beiträge der 22. Jahrestagung der Gesellschaft für Interlinguistik e.V., 23. – 25. November 2012 in Berlin Herausgegeben von Cyril Brosch und Sabine Fiedler, Berlin 2013. – Ressource: http://www.interlinguistik-
⠀ Ökolinguistik will Sprachmanifestationen sichtbar machen. STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. 2022. – Ressource: https://www.derstandard.at/story/2223530/oekolinguistik-will-sprachmanifestationen-sichtbar-machen