Medialisierung
Medialisierung, auch Mediatisierung, ist ein theoretischer Ansatz in der Kommunikationswissenschaft, mit dem Veränderungen in gesellschaftlichen Bereichen (Sport, Wirtschaft, Politik, …) dadurch erklärt werden, dass die Kommunikation sich zunehmend an den Zeithorizonten, Selektionsregeln und Rollenvorgaben der Medien orientiert.
Damit ist gemeint, dass sich sozialer Wandel auch auf Grund massenmedialer Inhalte und Vorgaben vollzieht. Eine frühe Definition finden Blumler und Kavanagh (1999): „Mediatization - the media moving toward the center of the social process.“
Ob und in welchem Maße diese Bewegung in den Mittelpunkt von sozialen Prozessen tatsächlich stattfindet, ist eine Frage, die von vielen Kommunikationswissenschaftlern diskutiert wird. Dabei steht vor allem zur Diskussion, ob eine Medialisierung aller gesellschaftlicher Teilbereiche gegeben ist. Der Begriff bezeichnet somit die Vereinnahmung durch bzw. die Ausnutzung von Medien in Bereichen, in denen dies vorher nicht üblich war. So spricht man beispielsweise von einer „Medialisierung der Politik“ oder einer „Medialisierung des Unterrichts“.
Begriffsverwendung
In der Medien- und Kommunikationswissenschaft herrscht keine Einigkeit über einen uniformen Gebrauch der Begrifflichkeiten Mediatisierung bzw. Medialisierung, daher werden sie synonym verwendet. Da durch die Geschichtswissenschaft der Begriff Mediatisierung historisch besetzt ist, wird jedoch eine standardisierte Verwendung des Begriffs „Medialisierung“ als sinnvoll erachtet. Darüber hinaus kann die phonetische Nähe zum Begriff Mediation zusätzlich falsch konnotiert werden. [2]
Medialisierung beschreibt in der Kommunikationswissenschaft die Annahme, dass sich Bereiche der Gesellschaft wie Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zunehmend der Logik der Medien anpassen. Das bedeutet, dass sie sich an den Rollenvorgaben in den Medien orientieren, Stilmittel wie z. B. Skandalisierung, Personalisierung und Emotionalisierung übernehmen und sich an die Formate sowie Zeitschemata (Sendedauer und -zeiten) wichtiger Medien anpassen. [3]
Alle Prozesse, die von Formen direkter Kommunikation in Formen indirekter Kommunikation übergehen, werden „Medialisierung(sprozesse)“ genannt, weil sie immer auf Medien angewiesen sind. Medien ermöglichen es, den Zwang zur Zeitgleichheit der Vis-à-vis-Kommunikation aufzuheben, den Kommunikationsraum auszudehnen oder zu diversifizieren sowie kommunikative Akte zu vervielfältigen. Neben basalen Typen der Medialisierung (Verschriftlichung, Verbildlichung, Vertonung) finden sich komplexe, oft technisch ermöglichte Typen (Theatralisierung, Verfilmung). [4]
Medialisierung gehört so zur Phänomenologie der sozialen Kommunikation. Medialisierungsforschung interessiert sich aber auch dafür, dass sich die Formate medialer Kommunikation in die Wahrnehmung selbst einschmuggeln und als eine Art von Filter dienen, das Wahrgenommene schon im Hinblick auf seine mediale Repräsentation auffassend. [4]
Ein drittes Feld von Fragen zirkuliert um die Wahrnehmung von Wirklichkeit resp. die Annahme, was „wirklich“ ist. Als „wirklich“ wird angesehen, was in den Medien erscheint. Darum auch liegt es nahe, wirkliches Geschehen medial zu manipulieren oder zu verfälschen (ein Problem für alle Berichterstattungsgattungen der Kommunikation) oder es gar zu erfinden (was im Film mehrfach bearbeitet worden ist, aber auch Gegenstand mancher Medienskandale war). [4]
Als Verbindung von Zeichensystem und Kanal ermöglicht Medialität Erzeugung und Kommunikation von Sinn. Mit der wachsenden Bedeutung von Massenkommunikation als Quelle der Orientierung und Sinnstiftung ist Medialität mehr denn je konstitutiv für Kultur. M. bezeichnet dabei den Prozess der Durchdringung unterschiedlicher Lebensbereiche mit den jeweils gegebenen technischen und kulturellen Gesetzmäßigkeiten der Medien. Inzwischen ist M. zu einem „gesellschaftlichen Totalphänomen“ (Saxer 2012: 176) geworden, dass in struktureller und prozessualer Hinsicht alle Dimensionen des sozialen Seins durchwirkt und in der modernen Mediengesellschaft seinen – vorläufigen – Kulminationspunkt erreicht hat. [5]
Statt M. ist z. T. noch der historisch anders besetzte Begriff der Mediatisierung für den gleichen Sachverhalt im Gebrauch, wobei Mediatisierung wörtlich übersetzt eigentlich Mittelbarmachung bedeutet und urspr. die Unterwerfung unter eine Landeshoheit bezeichnete. [5]
Über die Jh. erweist sich M. als wesentliche Antriebskraft gesellschaftlichen Wandels. Das galt bereits für den Gebrauch der Schrift in der Antike, in dessen Folge Platon den Verlust des Gedächtnisses befürchtete. Ebenso betraf es die Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern und die Verbreitung der Massenpresse in der beginnenden Neuzeit. Erst damit war eine breitere Informationsweitergabe und die Aufklärung größerer Publika möglich geworden. Nach und nach konnte sich eine kritische Öffentlichkeit entwickeln, wurden – zunächst in der westlichen Welt – der Prozess der Aufklärung angestoßen und schließlich der nicht abgeschlossene Wandel von der Industriegesellschaft zur modernen Informations- und Kommunikationsgesellschaft vorangetrieben. M. wurde von einem Elite- zu einem Massenphänomen. Das gilt umso mehr seit der Einführung und Verbreitung von Rundfunk und Fernsehen im 20. Jh. Die vorläufig letzte Phase einer fortdauernden dynamischen gesellschaftlichen Entwicklung wird von den inzwischen allgegenwärtigen Onlinemedien beeinflusst. Mit der Erhöhung von Reichweite, Verbreitungsgeschwindigkeit und Informationsdichte der Medien erweitern sich nicht nur die Möglichkeiten medienvermittelter Wirklichkeitsgestaltung und -wahrnehmung, sondern auch die Gefahren kollektiver Täuschung (Manipulation). [5]
Als historischer Prozess ubiquitärer Generierung, Vervielfältigung und Verbreitung von Sinn interveniert M. in die Konstitution von Gesellschaft und penetriert diese in ihren Teilsystemen. Nach und nach verwandelten sich vormoderne Gesellschaften zu Mediengesellschaften. Die Charakterisierung von Gesellschaft als „Mediengesellschaft“ bringt diesen epochalen Wandel zum Ausdruck. Dabei beschreibt M. kein monokausales Wirkungsverhältnis. Vielmehr steht M. in einer Wechselbeziehung mit technologischen, ökonomischen und allg.en sozialen Entwicklungen. Dynamische Veränderungen bedingen zunehmende mediale Leistungen. Zugl. wächst die Abhängigkeit von Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik von ihnen. [5]
Das Informations- und Kommunikationssystem mit seinen spezifischen Handlungslogiken wird sich weiter ausdiffenzieren. Deshalb bleibt M. ein zentraler Motor gesellschaftlichen Wandels. Kennzeichnend für die Moderne ist, dass M. auf der Basis einer historisch nie dagewesene Vermehrung, Beschleunigung, Verdichtung und Globalisierung von Information und Kommunikation erfolgt. Mit der Digitalisierung hat diese Entwicklung nicht nur einen technologischen Schub erfahren, sondern auch eine fortschreitende Medienkonvergenz ermöglicht. [5]
Der Begriff Mediatisierung beschreibt jene Veränderungen von Kultur und Gesellschaft, die durch den Medienwandel entstehen oder verstärkt werden. Frühe Formen der Mediatisierung sind die Einführung des Buchdrucks, die Erfindung der Dampfmaschine oder die Elektrifizierung. [6]
Unter dem Begriff Mediatisierung werden jene Veränderungen von Kultur und Gesellschaft diskutiert, die durch den Medienwandel entstehen oder verstärkt werden. Mediatisierung ist damit ein historischer Metaprozess, vergleichbar mit Globalisierung, Individualisierung oder Kommerzialisierung. Als frühere Formen der Mediatisierung können die Einführung des Buchdrucks, die Erfindung der Dampfmaschine oder die Elektrifizierung verstanden werden. Mit der Einführung des Internets basiert diese Entwicklung auf der Digitalisierung, Miniaturisierung und Vernetzung. [6]
Die enorme Verbreitung mobiler und konvergenter Endgeräte (z.B. Smartphones, Tablets u.ä.), die Funktionen vormals unterschiedlicher Geräte vereinen und zudem ortsunabhängig und mobil nutzbar machen, hat diese Entwicklung noch wesentlich beschleunigt. Grundlage der Diskussion zur Mediatisierung ist so die Entgrenzung der Medien in mehrfacher Hinsicht: in Bezug auf Zeit, Raum, soziale Beziehungen, permanente und ortsunabhängige Verfügbarkeit, die Zunahme medienbezogener Kommunikationsformen, Konnektivität sowie in Bezug auf eine Veränderung der Wahrnehmung. Medienvermittelte und medienbezogene Kommunikation erzeugt mediatisierte Lebens- und Gesellschaftszusammenhänge. Diese Medienkultur (Hepp 2011) ist damit auch Grundlage für die Herausbildung neuer Gewohnheiten, Normen, Werte und Erwartungen in der Gesellschaft. Karmasin (2016) hält dazu fest, dass die Zunahme der medienvermittelten Formen der Wahrnehmung von Wirklichkeit weitreichende Folgen hat. Wirklichkeit wird zwar nicht völlig beliebig konstruierbar, aber je nach politischen, sozialen und ethischen Standards der Nutzer*innen dehnbar oder elastisch. Die Mediatisierung bzw. der Medienwandel ist damit auch die Grundlage für die Notwendigkeit einer Kritischen Medienkompetenz von Bürger*innen. [6]
Im deutschsprachigen Raum haben sich besonders Friedrich Krotz (2015) und Andreas Hepp (2011) mit dem Konzept der Mediatisierung auseinandergesetzt, wobei es ihnen besonders darum geht, wie vor dem Hintergrund des Medienwandels zivilgesellschaftliche Prozesse im Sinne von Active Citizenship und Partizipation gestärkt werden können. Medienwandel sollte nicht zu einer Funktionalisierung menschlicher Kommunikation zu Datenmengen führen - sei es im Sinne kommerzieller Interessen oder staatlicher Überwachbarkeit.
Medialisierung und Mediatisierung gehören zu den erfolgreichsten, aber auch häufig diskutierten Ansätzen der Medien- und Kommunikationswissenschaft. Zentral ist die Frage nach Medienwandel und gesellschaftlichem Wandel. Hier haben sich zwei Traditionen herausgebildet, die auf unterschiedliche Art und Weise (qualitative vs. quantitative Verfahren) die Rolle der Medien in der modernen Gesellschaft erforschen. Während die Mediatisierungsforschung die Veränderungen von Kommunikation im Alltag der Menschen etwa durch Smartphones in den Blick nimmt, konzentriert sich die Medialisierungsforschung auf den Einfluss der Massenmedien in gesellschaftlichen Teilbereichen wie Politik, Wissenschaft und Sport. Die nun zweite, aktualisierte und überarbeitete Auflage des Bandes, erläutert die Herkunft der Ansätze, stellt zentrale Studien und Erkenntnisse vor und diskutiert Gemeinsamkeiten und Unterschiede. [7]
Die Kommunikationswissenschaft hat ein neues Lieblingsthema: Medialisierung (oder:Mediatisierung). Für diese These sprechen die konzeptionellen Beiträge von zentralenFachvertretern, die in dichter Folge an prominenter Stelle veröffentlicht wurden und sichzumindest teilweise auf Vorträge vor einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeitstützen (vgl. Schulz 2004, Imhof 2006, Vowe 2006, Kepplinger 2008), mehrere Mono-graphien (vgl. Krotz 2001, 2007; Bösch & Frei 2006, Donges 2008, Schulz 2008) und ein„Zwischenruf“ im DGPuK-Informationsdienst Aviso, bei dem sich beide „Rufer“ imOktober 2008 allerdings eigentlich einig waren, dass Medialisierung und MediatisierungSynonyme seien, die man nur der „sprachlichen Prägnanz“ zuliebe auseinanderhaltensolle (vgl. Krotz 2008; Stöber 2008). Wie wichtig das Thema ganz unabhängig von diesemBegriffsstreit ist, zeigen auch die „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Kommu-nikations- und Medienwissenschaften in Deutschland“ vom Mai 2007, wo der Wissen-schaftsrat danach gefragt hat, wie das Fach „auf die Herausforderungen der umfassendenMedialisierung der Lebenswelt und der dynamischen technologischen Entwicklungenreagiert hat“ (Wissenschaftsrat 2007: 7, 14) [8]
Nach Vowe ist die „Mediatisierung der Politik ein wesentliches Deutungsmuster für Veränderungen innerhalb der Politik“ [Vowe, Gerhard, 441], „[…] dass Medien in doppelter Hinsicht wichtiger für kollektiv bindende Entscheidungen geworden sind, und zwar wichtiger als früher und wichtiger als andere Faktoren.“ [Vowe, Gerhard, 441], Der Zuwachs an Bedeutung von Medien lässt sich dabei nicht alleine durch die gesellschaftliche Veränderung erklären.
Der Begriff Mediatisierung wurde in der Medien- und Kommunikationswissenschaft Ende der 1980er Jahre durch David Altheide und Robert Snow in den USA entwickelt (vgl. Donges 2005: 323; Donges 2008: 47 zit. Nach Niemann 2014: 29). [Meike Mockenhaupt und Marlene Tytgat., S. 4] Die ursprüngliche Definition nach Altheide und Snow lautet: „Mediation (some people prefer mediatization) refers to the impact of the logic and form of any medium involved in the communication process“ (Altheide/ Snow 1988:195 zit. nach Niemann 2014: 29). [Meike Mockenhaupt und Marlene Tytgat., S. 4] So kann gesagt werden, dass im amerikanischen Sprachgebrauch die Begriffe mediation und später mediatization eine Prägung des politischen Handelns durch die Orientierung an der Medienlogik bezeichnen. [10]
Das Konzept der Medialisierung beschreibt allgemein die zunehmende Bedeutungssteigerung der Massenmedien, vor allem für die politische Kommunikation. Dabei ist zu untersuchen, ob – und wenn, wie weit – die Medien mit ihrer systemeigenen Logik der Selektion, Produktion und Publikation von Themen, Meinungen und Einstellungen mittlerweile den Prozess der politischen Kommunikation bestimmen, wie es zum Beispiel Meyer (2001, 2002) [11] auch für die Bundesrepublik Deutschland beobachtet. Oder ob nicht eher doch die Politik – und die politische Öffentlichkeitsarbeit – die Kontrolle über die publizierten Inhalte besitzt und die Medien für ihre Zwecke instrumentalisiert.
⠀ Deklination des Substantivs. Phonetik mit Plural und Artikel. – Ressource: https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/deutsch/artikel/deklination-des-substantivs
⠀ Medialisierung. WikipediA. – Ressource: https://de.wikipedia.org/wiki/Medialisierung
⠀ Medialisierung. Staatslexikon. – Ressource: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Medialisierung
⠀ Thomas Birkner. Medialisierung und Mediatisierung. – Ressource: https://www.nomos-shop.de/nomos/titel/medialisierung-und-mediatisierung-id-68912/
⠀ Meike Mockenhaupt und Marlene Tytgat. Die Mediatisierung der politischen (Online-) Kommunikation. – Ressource: https://eplus.uni-salzburg.at/JKM/content/titleinfo/2062086/full.pdf
⠀ Paul Eschenhagen. Medialisierung der Gesellschaft - Fallstudie Medien und Terrorismus. GRIN. – Ressource: https://www.grin.com/document/23613
⠀ Schneider, Irmela (1998): Medialisierung und Ästhetisierung des Alltags. In: Ästhetik im Prozeß. Hg. v. Gerhard Rupp. Opladen [...]: Westdeutscher Vlg. 1998, S. 143-178.